2018 – Vancouver

ERSTE EINDRÜCKE

Dieses Mal beginnt unser Abenteuer gleich vor « unserem » Haus. Ich bin etwas erstaunt über die etwas düstere Wohnung und Umgebung. Die gigantischen  Fichten, die sich den ganzen Bergrücken hinaufziehen, stehen so dicht ums Haus herum, dass die Sonne kaum hinein dringt. Küche und Bad sind nur mit elektrischem Licht zu benützen. Ich hatte offenbar die Fotos auf „Homeexchange“ nicht sorgfältig  genug angeschaut. Selber schuld!

Drauβen sieht es fast wie im Schwarzwald aus, denn unser Boulevard Mont Royal liegt immerhin geschätzte 300 Meter über dem Pazifischen Ozean, an dem wir gerade vorhin mit dem Bus vorbeigefahren sind. Da war alles noch so grau in grau aus wie auf diesem Foto während nun, zwei Stunden später, die Sonne strahlt. Wir strahlen etwas weniger, denn wir sind schon seit 6 Uhr morgens auf den Beinen. Zuerst haben wir die neuen Bestimmungen am Charles-de-Gaulle Flughafen „genossen“ : nicht nur müssen wir unsern Boarding Pass ausdrucken, das ist ja schon fast normal, aber nun müssen wir auch noch selbst unsere Koffer wiegen und aufgeben – werden wir das nächste Mal der Einfachheit halber uns selber in Riesenkoffern, mit Thermoskanne und Trockenfutter versehen, aufgeben müssen??

Nach 9 Stunden Flug sind wir, der Zeitverschiebung halber, genau zur gleichen Stunde am Ziel gelandet, haben geschlagene 70 Minuten in einer riesigen Halle die Einreiseprozedur über uns ergehen lassen. Auch hier durften wir selber tätig werden und am Ende nur die Papiere dem zuständigen Officer übergeben, der die intelligente Frage stellte:

And what will you do in Vancouver on your vacation ?

Na, raten Sie mal, mein Herr. Doch der reizende „ Freund-und-Helfer-Polizist “ vor der Halle weist uns danach gerne den Weg zum Bahnhof gegenüber und auch dort hilft und ein ebenso freundlicher und geduldiger Mann mit den Fahrkarten. Das tut gut!

Nun fahren wir mit dem hübschen Sky-Train ins Zentrum und steigen auf ‚unseren‘ 246er Bus um. Da bekommen wir gleich einen auf die Mütze von einem aggressiven Kerl, der dachte, wir wollten uns mit unseren schweren Koffern vordrängeln – in diesem hochzivilisierten Land linert man, Ladies! Also entschuldigen wir uns brav, werden aber von einem anderen netten Mann vorgelassen, ätsch !

Hier die Aussicht auf unser Ziel, NORTH VANCOUVER :

Zur Stunde ist die Frage nun in unserem „ Haustauschhaus “ : wo kriegen wir was zu futtern her, denn unserer inneren Uhr nach ist es inzwischen zwei Uhr morgens und in Tracy’s Küche haben wir zwar im Kühlschrank eine Flasche Wein gefunden, sowie Apfelsaft und Wasser, aber weder Brot noch Butter noch „ was drauf “. Unsere Tauschpartnerin hat uns ein paar Tipps gegeben, wo die nächste Einkaufszeile ist – ihrer Meinung nach eine Viertelstunde zu Fuβ entfernt. Daher gehen wir brav den Boulevard ein Stück hinauf – und danach geht es ziemlich steil eine Lane hinab, bis wir um eine Kurve kommen und weit unter uns das Burtland Inlet mit dem gigantischen Hafen Vancouvers und dahinter die Skyline von little Manhattan liegen sehen. Hübsch – aber doch recht weit entfernt….

Um halb sechs Uhr abends begegnen wir keinem Menschen, auβer einem turtelnden Pärchen,  und es geht immer noch bergab. Mir kommt das Grausen, wenn ich an den Rückweg denke. Uns geht langsam auf, dass wir Kilometer mit Miles verwechselt haben – und dass hier kein Mensch längere Strecken zu Fuβ geht sondern radelt oder Auto fährt ! Endlich kommen wir zu der winzigen Einkaufstraβe, die eigentlich nur aus Hunde- klinik und Gemüseladen (natürlich organic/bio !) besteht, sowie aus dem uns empfohlenen chinesischen Restaurant. Das löst aber unsere Brot-und Butterfrage nicht. Wir finden letztlich einen winzigen Laden mit einer ebenso winzigen und runzligen Chinesin, die uns lässig wedelnd und grinsend yes, yes cookies zeigt, die — aus dem Jahr 2015 stammen!

Wir danken und gehen ohne Einkäufe chinesisch essen. Ach herrje ! Riesenportionen, die wirklich nach NICHTS schmecken. Das Fleisch rühren wir gar nicht erst an und essen nur etwas Reis mit Gemüse und Soβe. Trinken allerdings einen gefühlten Liter Jasmin-Tee, der uns sehr gut tut. Die doggybags lehren wir dankend ab mit der Notlüge, dass wir im Hotel wohnen.

Um 19h stehen wir wieder im Sonnenlicht auf der Straβe und warten auf unsern Bus, denn Laufen kommt mitnichten in Frage! Dem Busfahrer sage ich der Wahrheit entsprechend und ihm unser Ticket vom Nachmittag zeigend, dass wir noch keinen „ Pass “ haben, den aber sofort am nächsten Morgen unten in der Stadt kaufen würden. Und wir würden nur „ da oben “, also drei Haltestellen weiter wohnen. Anstatt wie bei uns zu blaffen, „Dann mal 2 Dollar pro Nase in die Kasse stecken“, sagt er lächelnd

Of course, ladies, I will take you up there !

Ich könnte ihn küssen, halte mich aber vornehm zurück und wir bedanken uns nur herzlich, als wir genau vor unserm Haus aussteigen. Endlich, um viertel vor 8  – also um viertel vor 5 unserer Zeit – nach 23 Stunden Reise, liegen wir in unseren Himmelbetten.

IM BUS

Wie schon in Valenzia (siehe 2013) vor Jahren mit Erfolg ausprobiert, ist die einfachste und schönste Art, den Überblick über eine völlig neue Stadt zu bekommen, der Hop-on, Hop-off Bus . Den nehmen wir bei strahlendem Sonnenschein im ältesten Stadtteil von Vancouver, nämlich in Gastown bei der Steam-Clock, der weltweit ersten mit Dampf betriebenen Uhr. Alle fünfzehn Minuten gibt es eine kurze Tonfolge, die  Big Ben nachahmt und jede Stunde einen zusätzlichen Dampfausstoβ  – sehr lustig. 

Um hierher zu gelangen, haben wir wieder unseren 246er Bus genommen – glücklicherweise mit einem anderen Fahrer, der ebenso nett auf meine Ausrede eingeht. So sind wir jede schon 4 Kanadische Dollar reicher als gestern Abend – aber nun gehen wir auch wirklich einen aufladbaren Pass kaufen, mit dem wir alle Verkehrsmittel benützen dürfen. Danach besteigen wir unten in Lonsdale Quay den Sea-Bus, eine Fähre, die alle Viertelstunde unsere Stadt North Vancouver (80.000 Einwohner)  mit Downtown/Zentrum Vancouver (650.000 Einwohner) verbindet.

Vom Schiff aus hat man wunderschöne Ausblicke einerseits auf unsere bewaldete Seite mit den von ewigem Schnee bedeckten Dreitausendern und andererseits auf die Skyline der Stadt. Und je näher man der Stadt kommt, desto  mehr drängt sich der Vergleich mit Manhattan auf.

Los geht’s in unserm offenen Bus und zwar am Hafen vorbei zum Canada Platz mit dem Kongresszentrum, das für die Weltausstellung 1986 gebaut wurde und eine sehr originelle Form hat.

Während wir durch den Stanley-Park schuckeln, der noch gröβer ist als der Central Park in New York (worauf die Vancouverioten sehr stolz sind), lerne ich Einiges über die Stadt. Benannt nach dem englischen Kapitän, der Ende des 19. Jahrhunderts die Gegend erforschte und vermaβ, entstand im heutigen Stadtteil  Gastown zuerst ein Sägewerk, um das sich eine Siedlung gruppierte. Hierher gehört der  sagenumwobene  geschwätzige Gassy Jack, der die pfiffige Idee hatte, seinen ersten Saloon von allen Freiwilligen, die mit Whisky als Zahlungsmittel einverstanden waren, bauen zu lassen – so konnte er sich vor Zulauf kaum retten ! 

Die Wirtschaft der Siedlung basierte zuerst auf dem Handel mit Holz (über den Fraser-Fluss und den Burtland Inlet), mit Pelzen, Rohstoffen etc. bis 1858 der Goldrausch am Fraser-Fluss ausbrach und innerhalb von ganz kurzer Zeit 25.000 Männer daran teilnahmen. Die kamen zum gröβten Teil aus England, den britischen Inseln und aus Kalifornien, gefolgt von vielen Chinesen, die ebenfalls am Bau der transkontinentalen Eisenbahn teilnahmen. Diese wurde in nur einem Jahr fertig gestellt und forderte Tausende von Opfern. Aber sie bildete zusammen mit dem Hafen (dem gröβten Kanadas) den Grundstock zum sagenhaften Aufschwung von Vancouver.

Weiter geht‘s durch den Stanley-Park, in dem man sich eher wie in der Wildnis fühlt als direkt neben einer Großstadt. Es gibt dort zwar keine Bären mehr aber doch noch allerlei Tiere wie Damwild, Wildschweine und andere – natürlich nicht nahe der von Bussen und Autos befahrenen Hauptstraβe, die mit der wunderschönen gigantischen Löwenbrücke über den Burtland Inlet führt.

Wir steigen auf der andern Seite des Parks aus, um  uns in den warmen Sand der English-Bay zu werfen, nicht ohne vorher einen schönen langen Spaziergang auf dem berühmten Sea-Walk gemacht zu haben. Es ist noch kein Mensch im Wasser, da gestern und heute die ersten wirklich warmen Tage dieses Sommers ausgebrochen sind. Was man sofort an der Kleidung merkt: sämtliche Mädchen und junge Frauen tragen die knappsten Shorts zu weiβesten Beinen, die leider nur zu oft von grauenvollen Tätowierungen entstellt sind. Kleider sind „out“ bei der Jugend, was wir nur zu gut verstehen: Wenn man sich die diesbezüglichen Modelle in den Schaufenstern anschaut, will man sofort auswandern !  

Und das links sind immerhin Modelle von Gucci ! In den ganzen zwei Wochen habe ich ein oder zwei elegant angezogene Frauen gesehen – von den Business-Women mal abgesehen, da sie, wie die Männer alle die gleiche ‚Uniform‘ tragen. Und ALLE hängen am Tropf, entweder am Handy, am ‚coffee to go‘ oder an der Wasserflasche.

CHINATOWN

Weiter geht es mit dem Erforschen der Stadt nach Chinatown,dem gröβten chinesischen Stadtteil Kanadas. Uns sind sofort im Bus – der immerhin gute 45 Minuten von unserm Haus bis ins Zentrum braucht – die groβe Anzahl der Asiaten aufgefallen. Tatsächlich sind es über 30 Prozent der Bevölkerung von Vancouver. Die ersten Chinesen kamen zum Goldrausch und dem Bau der Eisenbahn und die nächste groβe Welle in den 80er Jahren vor der Übergabe Hongkongs an China.

Uns gefällt am besten der wunderschöne klassische chinesische Garten des Dr. Sun Yat-Sen, einer der wenigen Gärten auβerhalb Asiens, der im Stil der Ming-Periode (14.-17.Jhdt.) erschaffen wurde und zwar im Jahr 1986 von 52 der besten chinesischen Handwerker. Das merkt man bei jedem Schritt und Tritt – was hier wörtlich zu nehmen ist, da die aus chinesischen Flüssen stammenden Steine zu sehr komplexen Mustern gelegt wurden und der ganze Garten nach dem Yin und Yang Prinzip funktioniert : Die Helligkeit wird der Dunkelheit gegenüber gestellt, der schroffe Felsen wird durch weiches Wasser gemildert – dadurch entsteht eine „Erfrischung für das Herz“, wie in der Eingangshalle verkündet wird und wir genieβen diese Oase der Stille und Schönheit mehrere Stunden lang.

Am Ende bekommen wir sogar Tee zum Geschenk, nachdem wir die Seerosen, den Reiher und die Kois gebührend bewundert haben.

Danach schlendern wir durch das Viertel, werden allerdings ziemlich schnell von den auch hier existierenden Vollgedröhnten, Trinkern und „homeless“ abgestoβen. Da wir Hunger haben, kehren wir nach Gastown zurück und finden bald einen Platz in einem kleinen Gartenlokal vor einem „einfachen Berg von Pommes Frites“. Der ist gar nicht ‚einfach‘, denn die von Hand geschnittenen Bio-Kartoffeln mit Schale waren mir in dieser Qualität noch nie beschert ! Dazu bekommen wir Wasser mit zur Wahl stehendem Saft (für Mimi Cranberry, für mich Apfel) und das Ganze für die ungeheure Summe von weniger als 9 Euro (zu zweit !) Und mit reizender Bedienung! Überhaupt fällt mir – genau wie in Montreal und Quebec vor Jahren – auf, wie wirklich nett (und nicht nur kommerziell ) alle Menschen in den Geschäften hier sind. Sie geben sich wirklich Mühe, ihre Kunden zufrieden zu stellen. Eine echte Erholung, verglichen mit Paris.

BIBLIOTHEK, SEA BUS UND MARKT

Wir kommen zur groβen Bibliothek, deren Inneres uns besser gefällt als das Äuβere – sogar die Bevölkerung der Stadt wurde aufgerufen, ihre Meinung zum gewagten Stil des Architekten abzugeben, da Viele doch fanden, dass ihre Bibliothek zu sehr Roms Kolosseum ähnele.    

Luftig und leicht ist das Innere –  hier lernt man sicher gerne. Gleich nebenan steht die sympathische, da Blumen liebende, Bärin, die sogar ein Junges hat, das aber verdeckt ist.  

Und schon sind wir wieder am Wasser, dieses Mal am „ toten “ Fraser-Creek mit seinem niedlichen Aqua-Bus, der nur 12 Personen mitnehmen darf. Schon sind wir drauf und fahren nah an der kugelrunden Science-World vorbei, die ebenfalls für die Weltausstellung 1986 gebaut wurde. Der Wasserbus fährt – wie unser Bateau- Bus auf der Seine – kreuz und quer von hier aus den ganzen Creek hinunter bis zur Spitze, wo er sich in die English Bay und von da aus in den Pazifischen Ozean ergieβt.

Es macht Spaβ, Vancouver nun von der Südseite aus zu sehen. Hier stehen die modernsten und teuersten Hochhäuser, hier wohnt „man“ !

Und nun kommen wir zum schönsten Markt der Stadt :

Hier wird alles feil geboten, was die Umgebung und ganz British Columbia her gibt. Obst und Gemüse natürlich, Fleisch und Fisch. Letzterer ist leider genauso teuer wie bei uns, obwohl er doch vor der Haustür gefangen wird. Und der geräucherte Lachs, auf den ich mich so gefreut hatte, ist ein Reinfall, nämlich zu hart, zu trocken und auβerdem wollte ich noch die hier als besonderer Leckerbissen gepriesene Art, ämlich mit Ahornsirup bepinselte Stückchen, probieren. Das hätte ich besser gelassen…!

Wir gehen von Stand zu Stand, probieren hier, kaufen da – es gibt eine erstaunliche Menge deutscher Wurstwaren. WIKIPEDIA klärt mich netterweise darüber auf, dass die deutschen Einwanderer aus den 60er bis 80er Jahren die zweitgröβte Gruppe nach den Asiaten waren und sind. Wie schön, denn auch ein ganz wunderbares deutsches Vollkornbrot erstehen wir – nicht hier, sondern am Lonsdale Quay, auf unserem Hausmarkt, gleich neben dem Sea-Bus.

Da wir fast jeden Abend für uns kochen, können wir mit Wonne feststellen, dass das Gemüse hier im Gegensatz zu Princeton (siehe 2017) Geschmack hat. Die Eier sind fabelhaft und auch Käse finden wir in bezahlbarer guter Qualität. Sehr  verlockend sind auch die Salat-Bars, denn da hier wieder alles riesig ist – ein grüner Salat reicht locker für ein 6-Personen-Mahl – bedienen wir uns lieber dort und haben noch dazu die Qual der Wahl, zumal die Preise durchaus zivil sind. 

Auf dem Rückweg, schlendern wir durch das angesagte Yuppie-Viertel Jaletown, wo es vor Designern nur so wimmelt – und stoβen auf einen ganz und gar nicht abgehobenen Installations-Künstler mit diesen Sonnenschirmen :

Sowas kann man eben nur entdecken, wenn man zu Fuβ geht und wir laufen glatte 100 km in den zwei Wochen !

EIN EIS BITTE

Nun aber möchte ich ganz dringend ein Eis, denn es ist schön warm heute. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Es gibt ALLES in der groβen Robson-Einkaufsstraβe: Tacos und Wraps, Pizza und Food-Trucks, viel Indisches (ach ja, auch Turbane sehen wir so manche) – aber nur einen EINZIGEN Gelato-Italiener gibt es in dieser Stadt und der befindet sich (wie ich erst abends google) am Canada-Platz, wo wir ja nicht sind. Dickköpfig wie ich nun mal bin, frage ich mal hier, mal da und ernte nur bedauerndes Achselzucken – bis ich einen kleinen Jungen schlecken sehe und mich sofort auf dessen Mutter stürze! Hurra, geschafft : im Untergeschoss einen Kaufhauses bekommen wir ein erstklassiges Café-Kirscheis. Juhu, die Jagd hat sich gelohnt ! Auf der Rückfahrt ist unser Bus rappelvoll, aber niemand meckert oder schubst und fast alle bedanken sich laut beim Fahrer wenn sie aussteigen – deshalb sind die wohl auch so nett?!

GÄRTEN

Als Blumenfan bin ich natürlich an den Gärten der Stadt höchst interessiert. Da haben wir schon mal den Rosengarten des Stanley-Parks mit diesen schönen Exemplaren:                                            

 

Danach kommt der Queen-Elisabeth-Park an die Reihe, der genau wie der Botanische Garten im Süden von Vancouver liegt, einige „Blocks“ von der U-Bahn-Station entfernt, also ganz schön weit weg….und dann auch noch auf einer Anhöhe, nämlich dort, wo es früher einen Vulkan gab. Ich merke die 158 m über dem Meeresspiegel bei jedem Schritt ! Aber es lohnt sich, nicht nur für die witzigen Figuren des Künstlers, der sich über die Touristen mit ihrem Schlösser-Fimmel lustig macht sondern vor allem für das exotische Vogelhaus, das oben auf der Spitze steht und wie ein umgestülptes UFO aussieht.

Ich könnte dort Stunden mit den Blumen und Vögeln verbringen. Es ist relativ leer und eine nette Wärterin gibt ungefragt auf Französisch Auskunft – – das ist hier selten, denn Vancouver ist leider nicht, wie Montreal, eine  zweisprachige Stadt. Die meisten Leute sprechen sehr bzw. zu schnell für mich und ich habe Mühe mit ihrem Akzent.

Daher freue ich mich, wenn ich jemanden wie Jennifer im I-Punkt treffe, die ein glasklares Englisch mit mir sprechen wird und ein fast ebenso astreines Französisch mit Mimi. Aber halt, ich greife vor – momentan sind wir noch im Park.

Die Kakadus haben fast alle einen Schirm gegen zu viel Sonne, das hatte ich noch nie gesehen ! Und das Tolle: Als wir wieder drauβen sind, steht doch tatsächlich ein Eisverkäufer da und wir genieβen die Aussicht auf Vancouver und das Erdbeer-Eis!

Frisch gestärkt  geht es bergab in das vornehme Viertel Shaughnessy, benannt nach dem Präsidenten der Canadian Pacific Railway. Hier finden wir die Ruhe und vor allem die Schönheit der Straβen und Villen von Princeton wieder, denn dieses Viertel wurde ab 1907 die Heimat der hiesigen Bourgeoisie. Wir schauen uns die Augen aus dem Kopf, so riesig und vornehm sind manche Villen, die es glatt mit Monte Carlo oder Menton aufnehmen können. Doch sind die Inhaber leider so verflixt schlau, dass sie mit Bäumen und Büschen eine grüne Abschirmung geschaffen haben und man leider nur winzige Ausschnitte fotografieren kann, was sich nicht lohnt. Also nehme ich diesen schönen Baum auf, der überall in der Stadt wächst und zur Familie der Hartriegel  (Cornus Kousa) gehört:

Das lerne ich ein paar Tage später im 22 Hektar groβen Botanischen Garten vom Herrn van Düsen – er sei gepriesen! Wir können uns nicht satt sehen an Blumen, Bäumen, Springbrunnen, Seerosenteichen samt Gänsen, Enten, Reihern und dem ersten Labyrinth meines Lebens, in das ich Mimi fast hinein zwingen muss mit dem festen Versprechen, sie auch wieder hinaus zu führen. Da passt es natürlich gar nicht gut, dass wir zwei nett aussehenden Herren begegnen, die uns versichern, dass sie seit „ letztem Freitag  hier  herumirren “. Das ist natürlich geschwindelt – ich brauche genau 9 Minuten !

Etwas erschöpft lassen wir uns auf der Sonnenterrasse für einen Scone und Wasser nieder, denn es ist verflixt warm geworden. Neben uns macht eine rothaarige  Dame plötzlich einen Sonnenschirm auf. Da der auch uns beschattet, dreht sie sich um und sagt lächelnd mit Humor:

Sorry, girls, but red-head needs shelter !

Am nächsten Morgen sind drauβen ZEHN Grad weniger als am Vortag ! Das ist heftig. Ich muss an unser Gespräch im Bus gestern mit der netten Kanadierin denken, die ihre Heimat Quebec vermisst, wo zwar glatt wie gerade in den letzten Tagen 40 Grad Plus sein können aber auch im Winter ebenso viele Minus.

Doch wir haben SONNE ! Hier regnet es im Frühling, Herbst und Winter …

Natürlich kann man dagegen halten, dass Luftverschmutzung in dieser Stadt ein Fremdwort ist, denn irgendein Wind weht immer. ABER 12 Grad morgens und 15 nachmittags Ende Juni?? Kein „ heiβes Höschen “ mehr im Bus. Schlagartig haben sich alle wieder angezogen, Dunkelblau, Grau und Braun dominieren. Sogar der Busfahrer ist grantig und blafft eine Frau im Rollstuhl an, sie wisse genau, dass DIESE Haltestelle nicht für sie sei und er sie hier nicht mitzunehmen brauche. Die Arme sieht ihn nur mit groβen Augen an und da steht eine mutige Frau auf und fragt die Behinderte, ob sie ihr helfen könne. Der so beschämte Busfahrer bequemt sich endlich, die Ladeebene für den Rollstuhl herauszufahren (ganz einfach) und danach sitzt die Arme die ganze Zeit mit den Augen dick voll Tränen im Bus. Zum ersten und einzigen Mal steigen wir an der Ecke West Georgia/Burrard aus, ohne uns zu bedanken!

KLEIN MANHATTAN
Wir gehen durch die Burrard Street in Richtung Wasser und haben das Gefühl, durch Manhattan zu laufen mit „Wasserfallmauern“ und einer Gruppe Männern in Bürouniform, die am hellen Vormittag im Café Fuβball „live aus Moskau“ gucken. Dann kommen zu dem wunderschönen 98 Meter hohen Marine-Building.

Es wurde 1929 im Art-Déco-Stil konzipiert und war zehn Jahre lang Vancouvers höchstes Gebäude. Etwas eingeschüchtert drücken wir die Tür auf und stehen auf einmal in der wunderschönen Eingangshalle. Bemerkenswert !

Gleich um die Ecke befindet sich das Tourismusbüro und da werden wir von drei netten Damen behandelt, die sich um unseren Wunsch kümmern. Während wir auf seine Erfüllung warten, unterhalten wir uns mit Jennifer, die hier seit ihrem Ruhestand einen Tag in der Woche unentgeltlich arbeitet, weil längst nicht alle ihrer Kollegen Französisch und Spanisch sprechen.

FESTIVALS

Sie gibt uns einen Tipp für das Jazz-Festival, eine Sängerin, die sie persönlich kennt und wir sind sofort gespannt. Die drei Festivals an diesem Wochenende haben alle Gratis-Veranstaltungen und das gefällt uns. Nun kann ja auf einer Reise nicht alles glatt gehen, man muss auch mal Risiken eingehen – und das kann dann ein Reinfall werden. So hier.

Der uns unbekannte Jazz-Klarinettist spielte mit einer arabischen Band aber diese Art Musik ist wirklich nicht unsere. Die Jazz- Sängerin haben wir eine halbe Stunde ausgehalten, in der Hoffnung, dass noch etwas Andres als unharmonische Schreie kommen würde. „Free-Jazz“ ist nun mal etwas ganz Spezielles !

Wenigstens das Dragon-Boat-Race lohnte sich, weil weder Mireille noch ich jemals davon gehört hatten. Jedes Boot hat einen anders gestalteten Drachenkopf als Bug und der Drachen muss vor dem ersten Rennen, bei denen in den Booten nicht gerudert sondern von der Mannschaft gepaddelt wird, durch einen gemalten roten Punkt in seinen Augen „aufgeweckt“ werden.

Eine farbenfrohe Zeremonie geht dem ersten Rennen voraus. Die arme Hohe Priesterin muss sich allerdings leider auf ihrem Gebetsteppich geschätzte 100 Mal verbeugen.  

VON OBEN

Am nächsten Morgen geht es in 40 Sekunden auf 168 M Höhe hinauf auf den Outlook Vancouver, also 360 Grad Rundblick. Und das für nur 5 € mehr als auf dem Glockenturm von St.-Quentin-en-Poterie (siehe dort). Was für ein Schnäppchen!

Vom AQUARIUM der Stadt sind wir allerdings sehr enttäuscht: zu gross, zu voll, zu teuer (30 Dollar immerhin). Nur der Seelöwe, der uralt ist und hier seinen Gnadenfisch bekommt, dass süsse Seehundbaby und die putzigen Pinguine gefallen uns.

Merke : Seelöwen haben Öhrchen, Seehunde keine! Wieder was gelernt.

ART GALLERY

Am nächsten der kalten drei Regentagen gehen wir in die Art Gallery von Vancouver und machen die Bekanntschaft mit der berühmten und allseits sehr beliebten kanadischen Malerin Emily Karr (von einem Bild kaufen wir uns sogar ein Puzzle mit dem wir schwer zu kämpfen haben werden, denn sogar das ist recht düster…! )

Und mit David Milne, einem Kanadier, der zuerst sehr unter dem Einfluss von Matisse stand, bis er nach über 20 Jahren zu seinem eigenen Stil fand. Für uns ist es sehr interessant, mal so richtig eine Entwicklung zur Eigenständigkeit  durch die Bilder mitzuerleben.  

WASSERFLUGZEUG

Und nun komme ich zum schönsten Tag unserer Reise – es war der Tag, den wir nie vergessen werden. Zwar mussten wir um 6 Uhr aufstehen, um den 6h45 Bus ja nicht zu verpassen. Um 7H30 steigen wir an der Burrard Street aus.  Es sind nur Arbeitende unterwegs und wir freuen uns über Alles : Das angenehme Wetter, die pfiffigen Details an den Hochhäusern, wenn die Architekten sich mal so richtig ins Zeug legen und  den kleinen Flughafen, den wir vor uns liegen sehen. Denn wir werden zum ersten Mal ins unserem Leben mit einem Wasserflugzeug fliegen !!

Ich wollte es erst ja gar  nicht glauben, als meine beste Freundin mir im Stanley-Park, wo wir nach dem misglückten Aquariumbesuch leicht bedröppelt am Jachthafen saβen, mit träumerischer Stimme sagte :

DAS wäre doch mal was!

Wie bitte? Mi mit ihrer Flugangst? Naja, sie ist ja immerhin mal mit einem Hubschrauber über New York in die Luft gegangen.  Das kann man sich heutzutage kaum noch leisten. Aber unsere netten drei Grazien vom I-Punkt haben mir bestätigt, dass ich Recht hatte mit meinem im Netz gefundenen Schnäppchen : Hinflug 35 Minuten von Vancouver nach Victoria, dort freie Zeit, Rückfahrt per Bus und Ferry und das Ganze für 180 Euro ! Dafür kann man schon mal früh aufstehen und bekommt als Beloh- nung in der VIP Lounge einen Cappuccino mit Schoko-Croissant ! Was wir da sehen, ist schier unglaublich, denn die Flugzeuge werden von EINEM Mann an einer LEINE wie die Hündchen in eine Reihe zur Startposition gebracht!

Es ist ein im wahrsten Sinne des Wortes erhebendes Gefühl, mit dem Wasserflugzeug so fast wie nebenbei loszufliegen ! Und wenn unser Pilot auch brummig ist, wo sonst sitzt sonst schon einer nur einen Meter vor mir entfernt ?

Die Sonne versucht, durchzubrechen – ein atemberaubender Anblick :

Wir fliegen in einer ungefähren Höhe von drei- bis fünfhundert Metern und sehen so auch Details am Boden. Ich genieβe jede einzelne der 35 Minuten und Mimi offenbar auch :

Und schon landen wir ebenso sanft  im Hafen von Victoria, auf der Insel (!) Vancouver.

Ich komme mir vor wie in Kopenhagen mit dem Parlament im Hintergrund. Die Statue von Königin Victoria auf der einen und ein Totem der Ureinwohner auf der anderen Seite, daneben eine fesche Kalesche aus Wien, im Hafen ein lustiges Wassertaxi – eine originelle Mischung ist das !

Wir laufen kreuz und quer durch die Stadt, die uns gut gefällt. Doch ziemlich bald meldet sich der Hunger und wir finden vor dem ältesten Lokal der Stadt, dem „Bard and Banker“, einen richtigen kleinen Vorgarten in dem die Mi einen Doppelburger isst und ich die besten Fish and Chips meines Lebens bekomme.

Nach dem Essen haben wir noch zwei Stunden Zeit bis zur Abfahrt unseres Busses, der uns auf Fähre bringen wird. So lassen wir uns gemütlich – und im Schatten! – am Hafen nieder, schauen den Passanten zu, lästern genüsslich ein bisschen und lassen die Seele baumeln.

Die Rückfahrt ist so ideal wie der ganze Tag und als wir abends um 8 Uhr wieder an unsere Bushaltestelle stehen, sehen wir Vancouver auch noch im goldenen Abendsonnenschein. Diese schöne und anregende Stadt  ist auf alle Fälle eine Reise wert – man muss nur gerade den Sommer erwischen und doch besser nahe am Zentrum wohnen….

Und noch etwas Nettes : Wir geben unsern Verkehrspass am letzten Tag zurück und die reizende junge Dame gibt uns zwei Bus-Tickets zu zwei Dollar, also ohne die uns zustehende Ermäβigung für Senioretten. Als ich protestiere:   But we are 65+antwortet sie:

Oh, REALLY ? CONGRATULATIONS !

WAS BLEIBT: Der Flug nach Victoria,  die „Kreuzfahrten“ mit dem niedlichen Aqua-Bus im Fraser Park, der Botanische Garten und meine „Fish & chips“ !

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