JUNI 2021 – PARIS ERWACHT

In den letzten zwei Wochen habe ich Paris par Rad von Nord nach Süd und von Ost nach West durchstreift, um – nach den unsäglich langen Monaten der Ausgangssperre wegen des Virus – neu eröffnete Orte (Museen, Restaurants und Rooftops, Kaufhaus) zu beschreiben.

Hurra, am 16. Juni 2021 wird gestreikt! Das soll heiβen, dass wir in Paris fast wieder im Normalzustand angekommen sind. Heute will ein Teil des Personals vom Historischen Museum CARNAVALET , im schönen Marais-Viertel gelegen, mehr Geld. Nach fünf Jahre dauernder Renovierung – für 58 Millionen Euro – wurde dieses Stadtpalais aus dem 17. Jahrhundert neu eröffnet, und ich möchte es sofort sehen. Also radle ich trotz der SMS-Warnung der Direktion ((„Wir verhandeln, aber…“) bei schönstem Sommersonnenwetter hinunter nach Paris. Hä? Ja, denn die Eingeborenen vom „Dorf Montmartre“ haben ihre eigene Zeitung und ihren eigenen Wein und sind überhaupt sehr eigen…Als Zugereiste bin ich nun seit fast 5 Jahren hier oben und freue mich, schon ein bisschen dazu zu gehören.

Eine fast leere Eingangshalle erwartet mich in diesem Museum, das man auch das ‚Theater der Geschichte von Paris‘ nennen könnte, mit einer fantastischen, modernen, skandinavischen Treppe, zu der die schmiedeeisernen alten Zunftschilder einen reizvollen Gegensatz bilden.

Ich lasse das Untergeschoss – von den Ursprüngen der Stadt bis Ende des Mittelalters – aus und begebe mich sofort in den ersten Stock (16. – 18. Jhdt.). Ein Zimmer nach dem anderen versetzt mich in Erstaunen und Entzücken, egal ob es Voltaires Bureau mit seinem Sessel ist oder das Musikzimmer der Madame de Sévigné, die hier jahrelang wohnte.

Jeder Raum ist wie eine Theaterkulisse gestaltet. Die Adligen der Stadt zeigten ihren Reichtum und ihren Geschmack, den man auch in dem formalen Barock-Garten wiederfindet. Hier kann man sich ausruhen und stärken. Und das Beste: der Eintritt in die ständige Sammlung des Museums ist frei, wenn man auch hier wie überall wegen der Pandemie reservieren muss.

Nach diesem Besuch erhole ich mich einen Moment in einem der vielen Straβencafés am Jardin du Luxembourg. Sie haben uns allen so schrecklich gefehlt, denn sie machen einen groβen Teil des Charmes der Stadt aus, noch dazu bei diesen knuddeligen Besuchern…

Weiter geht es zum GRAND PALAIS EPHEMERE auf der linken Seite der Seine gegenüber der Ecole Militaire gelegen. Das ist ein funkelnagelneues, formschönes, „vergängliches“ Gebäude aus Glas und Holz von 10.000 qm, mit Platz für 9000 Zuschauer. Es ersetzt bis zur Olympiade 2024 das alte „Grand Palais“, denn dieses wird seit Kurzem restauriert. Hier werden sowohl die Chanel-Modeschauen als auch das Reiterturnier von Hermès und die olympischen Judokämpfe stattfinden. Es ist ein kreuzförmiger, in nur 8 Monaten errichteter formschöner UND ökologischer Palast, der nach Benützung in seine Einzelteile zerlegt und entweder woanders wiederaufgebaut oder verkauft werden wird.

Leider kann ich ihn heute nur von auβen betrachten, denn die ersten Ereignisse werden erst im Juli dort stattfinden. Dieses Gebäude wurde übrigens auf historischem Grund errichtet, der Architekt Jean-Michel Wilmotte hat es nämlich genau an die Stelle gesetzt, an der der „Palast der Elektrizität und des Lichts“ für die Weltausstellung 1937 stand.

Damals gaben die französischen E-Werke dem Maler Raoul DUFY den Auftrag für das Monumentalbild „Die Fee Elektrizität“, auf welchem der Künstler seine Liebe zur Farbigkeit zu einem noch nie dagewesenen Gipfel geführt hat. Zusammen mit seinem Bruder Jean und beidhändig (!) malte er in nur 10 Monaten das gröβte Bild der Welt von 600 qm, zehn Meter hoch.
Heute steht es, ebenfalls restauriert, im MAM, dem Museum der Modernen Kunst.

Der Eintritt ist auch für dieses Kunstwerk frei. Ich finde es wundervoll und kaufe mir ein Buch über den mir bis dato nicht bekannten Maler. Am Tag darauf sehe ich ein Plakat, welches eine Ausstellung seiner Werke in „meinem“ MUSEE DE MONTMARTRE bis Ende September ankündigt. Das passt. Die weiträumige Terrasse neben dem Museum für Moderne Kunst ist in Zwei Teile gegliedert: ein vornehmes Restaurant und eine „Bambini“- Pizzeria, mittags und abends geöffnet. Die Preise sind glücklicherweise zivil an diesem auβergewöhnlichen Ort – den Blick auf die Seine und den Eiffelturm gibt es noch gratis dazu !

Eine Straβe weiter oberhalb liegt das Museum der Mode GALLIERA , in dem man eine Ausstellung mit Kreationen von Coco Chanel bewundern kann

und ebenfalls auf einer schönen Gartenterrasse mit Blick auf die „eiserne Dame“ tafeln darf.

Da wir bei den leiblichen Genüssen sind: vorgestern habe ich in einem der Pariser Spitzenrestaurants die fünfzigjährige Freundschaft mit Freund Jean feiern dürfen. Er hatte mich 1971 im Pub „Ten Gallons“ angefeuert, wo ich dem Besitzer Bruno Coquatrix, dem allgewaltigen Boss vom „Olympia“, vorsingen musste. Ich wurde noch am selben Abend für zwei Monate engagiert. Wir haben uns das Lateinamerikanische Kulturinstitut, am Boulevard Saint Germain ausgesucht, dessen Restaurant „RECH“ soeben von Chefkoch Alain Ducasse übernommen wurde.

Wir werden geradezu liebevoll vom gesamten Personal empfangen, als ob wir lang vermisste Gäste seien. Der nicht einsehbare hochelegante Garten ist beeindruckend, das Wetter ist wundervoll, und das Menu am Mittag, zu einem überaus fairen Preis von nur 44 €, ist schlicht göttlich. Wir schwelgen!

Die „Rooftops“ schieβen augenblicklich wie die Pilze aus dem Boden! Eins der schönsten ist das des TERRASS’-Hotels , von dem man einen berückenden Blick über Paris hat. Ab 15 h werden hier leckere Cocktails und Snacks angeboten.

Momentan ist das Restaurant wegen des Virus noch geschlossen, aber sobald es wieder öffnet, werde ich mich mit Wonne auf den sonntäglichen Brunch stürzen, der für 45 € Erkleckliches und Erquickliches bietet!

Bei weniger gutem Wetter kann ich unbedingt das Restaurant des TOUR MONTPARNASSE empfehlen, denn auch von dort ist der Blick über die Stadt derart umwerfend, dass man die frische Luft kaum vermisst. Ich rate dazu, so zu reservieren, dass man sowohl die Dämmerung (wenn möglich, mit Sonnenuntergang!) und das Erleuchten der Lichter mitbekommt.

Aber zurück zu den Neuigkeiten von Paris. Der Clou dieser letzten zwei Wochen war ganz gewiss die Wiedereröffnung der SAMARITAINE. Obwohl „la Samar‘“, wie sie liebevoll abgekürzt genannt wird, trotz ihrer vier Gebäude das kleinste aller Pariser Warenhäuser ist, war der Andrang in das älteste und schönste Haus riesig. Es liegt direkt am Ufer der Seine, wurde 16 Jahre lang vom Asbest befreit und restauriert. Sein altes Motto, das hier wirklich jedes Kind kennt – „On trouve TOUT à la Samaritaine“ – kann ich nur bestätigen, sobald es sich um Luxusartikel handelt. Hier findet man wirklich ALLES, das gesamte Erdgeschoss ist ihnen vorbehalten. Erster Stock: Dior, Lanvin, Armani, Gucci etc. für die Damen, mit schwindelerregenden Preisen, ebenso wie die „Brillen und Juwelen“ im dritten Stock. Dazwischen die Herrenmode. Dann, im 5. Stock, folgt die wunderbare ‚Wandelhalle‘ unter dem gläsernen Dach, bewacht von seinem einmaligen Pfauenfresko.

Da das zum Komplex gehörende Hotel nebst Restaurant und Terrasse erst am 13. September eröffnet wird, kann ich leider keine Fotos von DEM Blick machen. Aber die reizenden jungen Leute, die mich am Eingang in Empfang nehmen und mir strahlend versichern, WIE sehr sie sich über meinen Besuch freuen, trösten mich mit dem Hinweis auf die Fotowand. Das ist nun wirklich etwas besonders Schönes! Von einer Design-Lümmelwiese mit herrlich bequemen Polstern kann man genau verfolgen, welches Schiff gerade unten am Haus vorbeifährt und hat auch hier einen einmaligen Blick über die Stadt.


Während ich mich ausruhe und mich an dem ständig wechselnden Schauspiel erfreue, überschlage ich kurz, was ich in den nächsten Wochen noch alles sehen möchte: das Schloss mit der ökologischen Stiftung von Yann Arthus Bertrand im Bois de Boulogne; den neuen Löwen VOLCAN im Zoo vom Bois de Vincennes (der drei Löwen- Haremsdamen um sich hat); die umgebaute BOURSE DE COMMERCE, vorigen Sonntag auf ARTE mit der Stiftung moderner Kunst von Monsieur François PINAULT vorgestellt; die Foto-Ausstellung von HENRI CARTIER-BRESSON in der Bibliothek von François Mitterand; das frisch restaurierte fantastische HÔTEL DE LA MARINE am Place de la Concorde und…. ach, es ist einfach wunderbar, nach diesen unendlich scheinenden Monaten des Lechzens nach Kultur, diese Stadt wieder genieβen zu können !

P.S. Zum Abschluss noch etwas Pikantes: die Diskotheken sind immer noch geschlossen, aber die „établissements libertins“, in denen sich freizügige Erwachsene unter- und miteinander vergnügen können, sind schon seit Monaten wiedereröffnet, da sie als „essentiel“ (wie Brot und Wein, nicht aber wie Theater und Konzert) eingestuft wurden… Ach, l‘amour!


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