Am 21. April fahren wir los, Richtung Süden mit Ziel COLLIOURE und haben bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen eine ganze wundervolle Fahrt durch das frühlingsblühende Land. Leuchtende Rapsfelder, duftende Glyzinien, üppiges Rosa der japanischen Kirschen überall. Noch dazu zwischen Vierzon und Brive-La Gaillarde ein gutes Stück mautfreie Autobahn. Das ist typisch Frankreich! Das Land der Ausnahmen, ob in der Grammatik oder im politischen Leben, denn diese Mautersparnis war ein Geschenk von Präsident Jacques Chirac an seine Wähler in der Corrèze…


Am Nachmittag halten wir in der Nähe von Brive-la-Gaillarde vor einem “chambre et table d’hôte“ also einem B+B an. Es ist ein schönes altes und groβes Landhaus, umgeben von Gärten, Obstwiesen und Gänseherden, denn die werden hier gemästet. Wir haben reichlich Zeit, uns die Füβe zu vertreten und im Garten auf Liegestühlen ein Sonnenbad zu nehmen. Der Aperitif ist erst „ab 20 Uhr“ vorgesehen. Auch für uns ist das spät. Glücklicherweise sind wir beide nett angezogen, denn als wir in den Salon gebeten werden, ist da eine wunderschöne Tafel für zehn Personen gedeckt und die Hausherrin präsidiert. Sie stellt sich, ihre Mutter und ihren Mitarbeiter vor und bittet uns, ein Gleiches zu tun. Und zwar nicht nur mit Namen, sondern auch mit Beruf. Das ist sehr ungewöhnlich, aber alle kommen ihrer Bitte nach. So entsteht gleich eine nette Stimmung, wozu der leckere Kir aus Weiβwein mit dem originellen Kastanienlikör auch seinen Teil beiträgt.
Es folgt ein zweieinhalbstündiges Diner mit Gemüsesuppe, überbackenem Ziegenkäse auf Salat, Kalbsbraten mit Erbsen aus dem Gemüsegarten, groβer Käseplatte und einem Dessert, das jedem Restaurant zur Ehre gereicht hätte: „Oeufs à la neige“ (an die habe ich mich bisher noch nie getraut!). Dazu einen wirklich ordentlichen Landwein und am nächsten Morgen noch ein sehr üppiges Frühstück mit SECHS verschiedenen Konfitüren, Honig und für mich als Extrawurst nochmal vom guten Käse. Diese ganze Pracht für nur fünfzig Euro pro Person! Da kann natürlich kein Hotel mithalten.

Nach einem Umweg über das kleine Geschäft von Madame Buge, in dem wir alle möglichen Köstlichkeiten aus ihrer Küche erstehen, fahren wir über Brive-la-Gaillarde zu einem kleinen Abstecher in die Dordogne, nach Sarlat, wo gerade Markttag ist. Auch dort können wir den dargebotenen Leckereien – wie den getrockneten Steinpilzen fürs Risotto und dem Walnuβessig – nicht widerstehen. Weiter geht’s zum nächsten B+B bei Carcassonne, einer Stadt, die wir beide noch nicht kennen und die wir uns am nächsten Morgen anschauen wollen.
Diesmal landen wir auf einem Gestüt, auf dem man Rinder züchtet. Leider kann uns das sehr schöne Zimmer mit *** Bad nicht darüber hinwegtrösten, dass uns der Hausherr auf Anhieb nicht gefällt. Monsieur hat es nicht nötig, zwei Damen seine Hilfe beim Tragen der Koffer anzubieten. Während des viel zu langen Abends wird uns klar, dass wir nur Staffage, also Publikum für den Herrn sind. Ein Gespräch mit den anderen Gästen am Tisch ist nicht möglich,da er einen nicht enden wollenden Monolog über seine Tätigkeit als Bürgermeister hält (von 25 Menschen, die in den zehn umliegenden Häusern wohnen), über seine Pferde, über das exzellente Fleisch seiner Kälber, die er persönlich direkt vom Hof an Kunden, verkauft – und so weiter und so fort. Er hört nicht auf!
Sogar Mi, die in solchen Situationen geduldiger ist als ich, hat es so satt, dass wir ein Privatgespräch anfangen, was ja nun nicht der Sinn eines solchen Abends ist. Da ist es dann sehr praktisch, dass in Frankreich so wenige Leute Deutsch verstehen. Wir meckern also in Ruhe über diesen „Gastgeber“ und dessen Küche. Das über den grünen Klee gelobte Fleisch hat sich nämlich als so zäh erwiesen, dass ich mein Kalbskotelett quasi unberührt gelassen habe. Typisch: nur der Nachtisch wird von allen Anwesenden gelobt, also hat den Anderen das Essen auch nicht geschmeckt! Der Preis ist übrigens derselbe: 60 Euro das Zimmer, 40 Euro für die zwei Abendessen, macht fünfzig pro Person. Aber nun reicht es uns für die nächsten Tage und wir freuen uns schon auf unsere Gemüse-Rezepte, denn nun ist ja unser Ziel nicht mehr weit.
Vorher aber noch Carcassonne. Wir haben Pech, denn das Wetter ist trüb und sogar etwas nieselig – daher gibt es auch weniger Leute in der Altstadt. Bei schönem Wetter kann man hier sicher nicht treten. Es geht mir so mit dieser Stadt wie mit dem Mont St. Michel: Man muss sie einmal gesehen haben, aber das war‘s dann auch. Bei Andenkenläden mit allem möglichem Schrott und „mittelalterlichen“ Menüs an ebenso hergerichteten Restaurants will sich bei mir absolut nicht das Gefühl „hier-bliebe-ich-gerne-länger“ einstellen.

Unsere nächste Station ist Limoux, wo es den „ältesten Schaumwein der Welt“ gibt, hochgepriesen von den dortigen Weinbauern! Also runter von der Autobahn und Richtung Pyrenäen. Leider verdüstert sich das Wetter immer mehr, so dass wir von einem Picknick absehen und lieber kurz etwas essen gehen – denn die Mittagszeit in den Provinzen Frankreichs ist eine heilige Kuh: Man isst zwischen zwölf und zwei, aus! Punkt halb drei stehen wir dann aber auf der Matte von Sieur d’Arques, um uns über die Herstellung des Sektes zu informieren und ihn dann auch zu kosten. Auwei !! Rotkäppchen-Sekt ist dagegen eine Wohltat und wir wenden uns mit Grausen ab.
Unsere Ferienwohnung in Collioure ist geräumig, funktionell und wir haben einen schönen Blick aufs Meer!

Der erste Morgen ist wunderbar. Wir gehen gleich im Dorf spazieren und kommen am imposanten Schloss vorbei.

Danach schauen wir kurz in das Restaurant „Les Templiers“ am Hafen hinein. Dort hat sich seit 35 Jahren (als ich schon einmal kurz hier war) nichts geändert: Henri Matisse kam 1905 in Begleitung von André Derain, mit dem er den Fauvismus entwickelte, hierher, um in Collioure zu malen. Andere Maler folgten, unter ihnen Georges Braque, Raoul Dufy,Juan Gris und Pablo Picasso.
Wie im Hotel „La Colombe“ von St. Paul-de-Vence (siehe Kapitel 2013) zahlten auch hier Matisse und seine Kollegen ihre Zeche mit ihren schönen Bildern (die jetzt alle natürlich nur noch als Kopien dort hängen).

Weiter geht es durch die malerischen Gässchen des Dorfes zum Strand, der gut windgeschützt ist. Ach, das erste Sonnenbad des Jahres am Meer ist doch – auch ohne Schwimmen – jedes Mal das schönste! Wir haben zwar nicht jeden Tag das beste Wetter, jedoch können wir fast immer mindestens ein Stündchen sonnen. Und den Rest der Zeit vertreiben wir uns damit, jeden Tag eine neue Erdbeersorte auf den Märkten für unser mittägliches Picknick auszuprobieren! Was man hier zu essen bekommt hat NICHTS damit zu tun, was es auf den Pariser Märkten gibt, denn Erdbeeren reisen nun mal nicht gerne. Der grüne Spargel zum Beispiel ist butterzart und wir tun uns gütlich, essen gesund und vor allem mit viel Genuss!

Zwei graue und regnerische Tage verbringen wir im Auto, um uns die Küsten nördlich und südlich des Ortes anzusehen – beide sind unergiebig. Nördlich sind scheuβliche moderne „Kaninchenstall“ – Ferienorte entstanden und von den drei südlich gelegenen Orten – Cerbère, Banyuls und Port Vendre – ist nur letzterer eindrucksvoll mit seinem Jachthafen, kann aber mit dem malerischen Collioure nicht mithalten.

Das Vieux Quartier du Mouré steigt mit seinen schmalen Gassen und Treppen vom Hafen neben der Kirche aus steil an und ist mit Blumen einladend geschmückt. Collioure hat ungefähr 2700 Einwohner – aber diese Zahl schnellt in den Sommermonaten auf Zehntausende, die hier unter den Palmen Erholung suchen.

Weiter innen im Land kommen wir nach einer schönen Fahrt durch die Weinberge zur einzigen „Vinaigrerie“ Frankreichs, wo Essig im FREIEN hergestellt wird. Und zwar in Eichenfässern, in die ein groβes viereckiges Loch gemacht wird, welches mit einem dicken Tuch abgedeckt wird. So kann der Essig an der Luft reifen, ohne dass irgendwelche Unreinheiten hinein gelangen können. Die junge Inhaberin hält uns einen interessanten Vortrag und anschlieβend dürfen wir verschiedene Essigsorten kosten (nur EINEN Tropfen jeweils, so kostbar ist er!). Wir lernen, dass der berühmte „balsamico“ NUR dann wirklich einer ist, wenn der Zusatz „tradizionale“ dahinter steht. Der Rest ist nur normaler Essig mit viel Karamell drin.
Selbstredend müssen wir auch hier wieder einkaufen, genau wie am nächsten Tag in Collioure in einem ganz berühmten Laden, „La Belle Iloise“, wo es nur Fischkonserven gibt. Auch hier darf man vor Kauf alles probieren und ich decke mich für die nächsten sechs Monate mit Makrelen und Sardinen in allen nur erdenklichen Soβen ein. Wie gut, dass wir im Auto unterwegs sind!

Am letzten Morgen geschieht noch etwas ganz Besonderes. Ich bin kein Freund des Handys. Normalerweise ist das Ding immer ausgeschaltet. Da ich aber meine Wohnung verkaufen will und eine Annonce im Internet platziert habe, muss ich irgendwie erreichbar sein und mache es also jeden Morgen an, schaue nach, ob jemand angerufen hat, rufe zurück und schalte es wieder aus. Nur an dem Morgen kommt mir irgendwas dazwischen und als wir ganz gemütlich beim Frühstück sitzen, klingelt es:
Bonjour,
ich heiβe Philippe Rey und bin Wohnungsjäger für Stéphane Plaza !
Letzterer ist DER Immobilienmakler Frankreichs, der mit viel Witz und Charme jede Woche eine Sendung zur besten Sendezeit im Fernsehen hat, wo er Häuser und Wohnungen an den Mann bzw. die Frau bringt.
Ich bin baff, denn der charmante Mann am Telefon will „so schnell wie möglich“ meine Wohnung besichtigen. Ich habe zwar schon drei andere Interessenten, die alle am Sonntag oder Montag (3.und 4. Mai) einen Termin bei mir haben, aber er dringt darauf, schon am Samstag kommen zu dürfen. Also verläuft unsere Heimreise am 1. Mai bei leider strömendem Regen und stetig abnehmenden Temperaturen sehr fröhlich, denn offenbar geht es in die heiβe Phase des Verkaufs !
P.S. Ich werde noch bis Dezember 2015 warten müssen, bis ich – ganz OHNE Immobilienmakler – meine Wohnung endlich an ein sehr nettes Ehepaar verkaufen kann.