
Einerseits SOMMERFRISCHE vom Besten mit dem Blick von der Terrasse unserer Ferienwohnung auf diese riesigen Birken, in denen sich charmant zwitschernde Vöglein wiegen.Ein Truthahn kollert in der Nachbarschaft, ein Hund bellt eher gelangweilt. Da vergisst man schon mal die Einrichtung, die aus den Sechzigern übrig geblieben ist – aber immerhin alles Notwendige zum Kochen hat. Das ist wichtig, denn wir werden kein einziges Mal abends ins Restaurant gehen – es gibt nämlich keins !
Unser 700 Seelen Dorf Aschbach hat nur eine Bäckerei vorzuweisen, in dem es nicht einmal Vollkorn- oder Bauernbrot gibt, nur Baguette und steriles Weiβbrot. Wir sind in der Mitte vom Nirgendwo gelandet, das heiβt von ASCHBACH nach WISSEMBOURG sind es 17 km und bis HAGUENAU sogar 26 km. An sich nicht schlimm, WENN, ja wenn es die Straβenbauarbeiten nicht gäbe.
Aber kehren wir zurück zum ersten Abend in unserem Idyll zurück. Der Blick geht von den Birken zur Dorfhauptstraβe, wo bis halb zehn Uhr Abends die Trecker fahren, denn das Stroh muss vor dem Regen, der für nächste Woche angekündigt ist, unter Dach und Fach.

An diesem Abend ist es noch sehr warm und wir können die zu drei Vierteln heruntergelassenen Rollläden verstehen – aber das wird sich die ganze Woche über NIE ändern, auch wenn drauβen nur noch 18 Grad sind. Man möchte offenbar auf keinen Fall, dass irgendjemand sich den Spaβ erlaubt, über die Mauer in den Vorgarten zu klettern, um ins Wohnzimmer zu gucken….Die Häuser sind alle groβ und proper – aber wo ist das Leben ?
Ich schlafe früh ein, denn der Tag war lang – und werde um Schlag 5h30 von einem, wie mir scheint, ungeheurem Glockengebimmel geweckt ! Irritiert schaue ich aus dem Fenster, aber nirgends ist Rauch zu sehen oder zu riechen, also kein Feuer. Ich versuche, noch mal einzuschlafen und schlieβe beide Fenster um auch die alle Viertelstunde läutende Turmuhr zu überhören. Am Vormittag geizt unser Vermieter im Garten seine Tomaten aus und ich frage ihn, was es mit dem Geläute in aller Herrgottsfrühe auf sich hat. Er lächelt fein und sagt : « Früher war jedes zweite Haus hier ein Hof mit Vieh, das morgens gefüttert und gemolken werden wollte. Und so ist die Tradition geblieben. » Nee, klar, wir schreiben ja auch erst 2O23. Seufz !

Wir fahren nach SOULTZ zum groβen Supermarkt, um für die Woche einzukaufen. Erstes Dorf, kein einziges Geschäft, kein Bistrot – dafür dieser unsägliche Pizza-Automat, der 7 Tage lang und 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht! Kein Mensch auf der Straβe. Nun gut, sie arbeiten vielleicht alle – aber wo sind die Kinder und die Alten ? Hallo, ist da jemand ? Wir sehen niemand, auch nicht im zweiten Dorf und im dritten, das ausgerechnet HOFFEN heiβt, ist plötzlich die Durchfahrt gesperrt und kein Schild « Umleitung » zu sehen. Wir haben Glück im Unglück und können einem Auto mit hiesigem Nummernschild, das vor uns umdreht, folgen. Durch kleine Gassen gelangen wir irgendwie wieder auf die für uns richtige Straβe. Als wir unser Missgeschick am Nachmittag unserm Herrn Fischer erzählen und ihn fragen, wieso das möglich ist, sagt er nur mit Schulterzucken : « Na, hier wissen doch alle, wo sie lang fahren müssen, um die Baustelle zu umgehen ». Logisch ! Was soll man sich wegen der paar Touristen, die sich hierher verirren, die Arbeit machen, ein paar Schilder aufzustellen ?
Um es kurz zu machen : von Montag bis Freitag haben wir JEDEN Tag eine neue Baustelle in einem anderen Ort erlebt und fast nie ein Schild Umleitung. Unser Navi und ich (mit Michelin-Karte) haben gewetteifert, wer am schnellsten die beste Lösung über kleine und kleinste Landstraβen fand – aber geschimpft haben Mi und ich unisono ! Noch dazu sind sogar die ORTS-Schilder zum Teil so ausgeblasst, dass sie fast unlesbar sind. Das ist uns noch nie vorher in Frankreich passiert !
Nach dem Supermarkt wollen wir unsere erste kleine Wanderung im HAGENAUER WALD machen. Dieser « heilige Wald » ist das größte flache (!) Waldmassiv Frankreichs von rund 20 Hektar. In der Mitte stehen die Überreste der « dicken Eiche » und zu DER führen Schilder von allen Seiten hin. Aber man soll’s ja auch nicht übertreiben : einmal auf einem der schmalen Sträβlein hat es sich dann mit den Schildern. Selbst knapp vor der Ankunft müssen wir noch Wanderer nach dem Parkplatz fragen ! Der ist dann allerdings auch sehr gut angelegt und offenbar ein Ort, der von Besuchern geschätzt. Ein Spielplatz, ein Gasthof (nur am Wochenende geöffnet), eine Kapelle und Bäume. Unter diesen Bäumen befindet sich ein Überbleibsel vom Anfang des letzten Jahrhunderts, die dicke Eiche von Saint Arbogast, ein beeindruckendes Exemplar, von dem nur noch ein ursprüngliches Stück aus der Mitte des Baumes übrig ist. 5,33 m Umfang, 1,50 m über dem Boden, diese Eiche erlitt 1913 Feuer und einen tödlichen Blitzeinschlag, alles im Abstand von wenigen Jahren.

Wir ziehen unsere Wanderschuhe an, nehmen die Stöcke und auf geht’s ! Zuerst bewundern wir den Weg, der sogar für Rollstühle befahrbar ist. Aber schon nach 20 Minuten, werden wir — UMGELEITET, denn es sind Bauarbeiten am einzigen Brücklein über das Flüsschen SAUER zu Gange ! Gibt es das denn am selben Tag ? Ja. Zähneknirschend gehen wir weiter und werden nun auch noch von Mücken und Fliegen geplant, denn es wird schwül. Also, das war nix und die Stadt Hagenau kann uns leider auch gar nicht begeistern.
Ganz anders am nächsten Tag WISSEMBOURG. Hier ist endlich pulsierendes Leben mit Bistrots, Straβenrestaurants und sogar einer Eisdiele, in der wir uns gut bedienen.

Gestärkt gehen wir am Rathaus vorbei zur im 7. Jahrhundert errichteten Kathedrale St. Peter und Paul, in der wir die wohltuende besinnliche Atmosphäre auf uns wirken lassen.

Danach leisten wir uns eine Stunde Fahrt in « le petit train », der kurz vor der Abfahrt steht und schon fast voll ist. Diese kleinen Züge sind, wie der „Hop on“-Bus in der Groβstadt, immer das beste Mittel, um einen bequemen Überblick zu bekommen.

Diese Stadt von 7000 Einwohnern hat das typisch Elsässsiche Flair : Fachwerkhäuser, viele Blumen, Wandmalereien, schöne alte Zunftschilder und Türen – einfach charmant.



Auf einmal fährt uns der Zug auf einer recht steilen Straβe hinaus in die Weinberge – der Pinot Gris aus dieser Gegend ist berühmt – und nach einer guten Viertelstunde landen wir am bekannten blauen Schild mit den gelben Sternen : « Bundesrepublik Deutschland ».
Das ist eine gelungen Überraschung, zumal das Dorf SCHWEIGEN wirklich besonders schön liegt und durch sein WEINTOR bekannt ist. Hier beginnt (oder endet) nämlich die Weinstraβe. Die guten Weine und der Ort wurden schon im 9. Jahrhundert als besondere Lagen von Karl dem Großen erwähnt.

Es wird Halt gemacht, damit man aussteigen und das nächste Züglein in einer halben Stunde zurück nach Weissenburg nehmen kann. Gute Idee ! Das Dorf hat nur rund 500 Einwohner mehr als unser Aschbach – aber welch ein Unterschied. Hier gibt es 18 (!!) Orte, an denen man sich restaurieren kann, vom Weinkeller über die Winzerstuben bis zum feinen Lokal mit Sonnenterrasse ist alles da und entsprechend quirlig pulsiert der Fremdenverkehr. Der Blick auf der Rückfahrt vom Dorf und Umgebung gefällt uns so gut, dass wir spontan beschlieβen, es beim nächsten Mal lieber mit der Pfalz zu probieren.

Am Tag darauf brechen wir nach CLEEBOURG auf, genauer gesagt, zum einzigen Restaurant, welches nicht mal im Dorf selbst liegt (das ist mal wieder kein einziger Laden zu entdecken, bzw. die, die es mal gab, sind geschlossen oder am Verfallen!). Nahe der Winzergenossenschaft « La cave vinicole » wartet es mit einer kostspieligen Speisekarte und teuren Wagen auf dem Parkplatz auf. Das ist uns aber egal, da wir im Rucksack unser Picknick tragen. Heute soll es auf den genau gegenüber dem Lokal ausgeschilderten Wanderweg zum COL DU PIGEONNIER, der 300 m höher liegt, gehen. Kurz gesagt : er ist anstregend (vor allem der Abstieg macht mir am Ende arg zu schaffen) aber schön und hat sich gelohnt. Die gute Nachricht ist hier : vom WALDSTERBEN KEINE SPUR ! Die Bäume des Mischwalds sind durchweg riesig und gesund. Buchen und Eichen wechseln sich ab mit Kiefern und Fichten, es ist eine Lust, das zu sehen und dort zu gehen. Oben angekommen, haben wir eine sympatische Begegnung mit einem Ehepaar nebst drei Kindern (die im Auto kommen). Sie hat eine Tischdecke mitgebracht, die sie auf die Hälfte des groβen Holztisches legt, an dem wir schon essen, und er bietet uns von den mitgebrachten Vorräten an. Sie sind die ersten Meschen, mit denen wir wirklich reden können, seitdem wir hier sind, denn unsere Vermieter sind eher…verschlossen.

Wir machen in den Tagen danach noch zwei weitere Wanderungen in derselben Gegend (denn der Hagenauer Wald ist uns einfach zu eben) – schön, aber leider nicht so abwechslungsreich wie die Umgebung von METZERAL im letzten Jahr.
Natürlich decken wir uns in Cleebourg mit Wein ein – allerdings bleiben wir doch lieber bei unserem geliebten Gewürztraminer und lassen ihnen den Pinot.
Am einzigen trüben Tag der Woche gehen wir in die BREZELFABRIK von Monsieur Boehli in GUNDERSHOFFEN. Dort lernen wir, was zur Zubereitung seiner Brezeln gebraucht wird : nämlich Weizen, Sonnenblumenöl (daher die riesigen Felder überall in dieser Gegend) und Salz.

Auf einer intelligent gemachten gläsernen Schneise durch die Fabrik können wir sehen, wie die kleinen Brezeln erst noch ganz weiβ auf den Blechen mit winzigen Löchern versehen werden, dann durch einen « Salzregen » müssen und endlich mit der Malzlauge zu dem appetitlichen Gebäck werden, das wir am Ende verzehren dürfen. Und danach sind wir so fröhlich wie der hier :

Ein Gag zum guten Schluss : als Mi mich am letzten Tag zurück nach Paris bringt, kommen wir prima durch bis FAST zu meiner Straβe – denn die ist wegen Bauarbeiten GESPERRT und ohne UMLEITUNG-Schild. Vive la France !