2021 – SCHLOSS ISLETTE IM AUGUST

Wir starten pünktlich um neun Uhr in Saint-Maur bei strahlend blauem Himmel, ohne eine Wolke, und bei 20 Grad. Schnell beim Bäcker eine Bio-Baguette aus Dinkelmehl fürs Picknick gekauft und dann geht es los mit unserem üblichen Schlachtruf: „Auf zu neuen Abenteuern“!

Während wir durch gähnend leere Straβen zur fast verwaisten Autobahn fahren, denke ich an meinen Geburtstag vor 9 Monaten. Da bekam ich als Geschenk von meiner besten Freundin einen Gutschein, was schon mal ungewöhnlich ist. Noch origineller war das, was drauf stand:

Bon für einen Besuch im SCHLOSS ISLETTE, gefolgt von einem Dîner samt Übernachtung in einem ‚Hôtel de charme‘ mit Spa

Die Freude war groβ! Mein Freund Jean – mit dem ich gerade vor zwei Monaten unsere 50jährige Freundschaft gefeiert habe – hatte uns vor einem Jahr so von diesem Schloss geschwärmt und uns ein Büchlein darüber geliehen, dass wir spontan beschlossen, uns das auch einmal anzuschauen. Allerdings kam uns der Covid plus das kälteste Frühjahr dazwischen, gefolgt von einem nicht gerade überheizten Sommer. Dabei hatten wir noch Glück im Unglück: 5 warme und sonnige Tage in Deutschland, vier heiβe und sonnige in der Provence und seit Donnerstag haben wir nun schon vierten schönen Tag, macht immerhin FAST zwei Wochen Sommer….

Mi hatte auch die fabelhafte Idee, den Ausflug heute zu unternehmen, denn der 15. August ist traditionell das Datum, an dem viele Franzosen von Süden nach Norden, bzw. nach Hause fahren, weil für sie der Urlaub zu Ende ist. Wir fahren aber gen Südwesten und am Sonntag sind auch kaum Lastwagen unterwegs – nach nur dreieinhalb Stunden sind wir schon in Azay-le-Rideau und biegen auf den Schlossparkplatz ein. Sehr gespannt und voller Vorfreude.

Sofort sind wir hingerissen von dem Idyll, das sich unseren Blicken bietet: der Park, der Fluss Indre, der das Schloss liebevoll umarmt mitsamt seinen Ruderbooten drauf und natürlich das Schloss selbst – wunderschön! Am Anfang stand dort nur die kleine Mühle (links vom Schloss) in dem die umliegenden Bauern ihr Korn mahlen durften, gegen Abgabe an den Lehnsherren.

René de Maille baute das Schloss in den Jahren 1530/36. Nach seinem Tod gehörte es erst seinen Nachkommen, danach dem dortigen Landadel. Berühmt wurde das Château aber erst in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts durch die ziemlich bewegte Liebesgeschichte zwischen Camille CLAUDEL und Auguste RODIN. Die aktuellen Besitzer sind Pierre-André und Bénédicte Michaud, die es von ihren Eltern übernommen haben. Diese hatten das Gebäude in den Sechzigern modernisieren lassen.

Nun haben die Besitzer netterweise seit 10 Jahren das Schloss dem Publikum zugängig gemacht – und zwar nicht nur am Wochenende, sondern 5 Monate hintereinander jeden Tag! In der Zeit lebt die Familie in Nebengebäuden und benützt das geforderte (moderate) Eintrittsgeld der ca.250 täglichen Besuchern, um nach und nach das Schloss weiter zu restaurieren. Auβerdem bietet Madame Aquarell-Malkurse an und ihre Werke werden auch von ihrer Tochter im kleinen Mühlen-Laden verkauft. Da wir gerade mitten in der Kellergeschichte von Mimis Haus stecken, können wir uns ungefähr denken, was für horrende Summen bei einem solchen Anwesen von 14 Hektar zusammen kommen…!

Im Erdgeschoss befinden sich der ehemalige „Saal der Garde“ und die schon restaurierte Kapelle.

Über eine breite Wendeltreppe geht es nach oben in den Prachtsaal, der einem schon den Atem verschlagen kann. Er ist 14 m lang, 8m breit und 5m hoch! Durch die doppelte Reihe Fenster an den Längsseiten flutet das Licht nur so herein. Trotz der Absperrseile in der Mitte, wirkt dieser Raum auf mich merkwürdigerweise nicht wie ein Museum, wie das so oft in Schlössern der Fall ist. Hier würde ich gerne einmal für die Familie im Winter ein kleines Konzert geben….

Weiter geht es durch den Speisesaal in die Küche. Auch diese Räume strahlen durch die modernen Farbtupfer und das viele Licht, sowie die Ausblicke auf den Garten und Park, eine Lebensfreude aus, die man in solchen Gemäuern nicht vermutet. Im Esszimmer steht die berühmte „kleine Schlossherrin“ von Camille Claudel, die mit 17 zu dem über 40jährigen Rodin in die Lehre kam. Sie hat es zehn Jahre lang mit ihm ausgehalten, bis sie einsehen musste, dass er seine Lebensgefährtin Rose Beuret nie für sie verlassen würde.

Die Küche ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie Geld plus guter Geschmack Alt und Neu harmonisch verbinden können. Die Aquarelle sind alle von der Hausherrin. Wir sind etwas verblüfft darüber, dass wir sogar Zutritt zu den Schlafzimmern und zum Bad der Familie bekommen. Mir hat es das „Prinzessinnenzimmer“ besonders angetan.

Und das Bad ist so wundervoll, dass ich es am liebsten sofort zu mir transportieren möchte!

Sehr beschwingt von so viel Schönheit gehen wir im Schlossgarten spazieren bevor wir uns für unser Picknick häuslich niederlassen. Auch hier ist für die Besucher freundschaftlich gesorgt: überall stehen kleine Tisch mit Stühlen und Liegestühle, die man leicht an eine gewünschte Stelle tragen kann.

Während wir schmausen, kommt Madame Grimaud mit ihrer kleinen Enkelin vorbei, die wie ein Kind „von anno dunnemals“ gekleidet und mit Sonnenhut ausstaffiert ist. Wir grüβen und bedanken uns für die Gelegenheit, hier sitzen und essen zu dürfen. Sie dankt ebenso freundlich zurück, dass wir gekommen sind. Nett!

Nach einer kleinen Siesta im Liegestuhl mit Blick auf die Mühle und den See fahren wir durch das sommerliche Land, auf kleinen Straβen, oft mit schönen Ausblicken auf die majestätische Loire, nach Mosne.

Das ist ein winziges Nest zwischen den Schlössern von Amboise und Chaumont gelegen und unser „Charme“ Hotel heiβt sehr vornehm „Domaine des Thomeaux“. Jedes Zimmer hat einen Namen und witzigerweise bekommen wir nicht das Tirol- sondern das China-Zimmer.

Nachdem wir ausgiebig die Brausen des Spa benützt und uns danach etwas ausgeruht haben, können wir in der Abendsonne auf der Terrasse genüsslich speisen und so diesen wunderbaren Tag ausklingen lassen. 

Bei einem fulminanten Frühstücksbüffet am nächsten Morgen, beschlieβen wir, den Besuch im berühmten Zoo Beauval heute ausfallen zu lassen, da es nieselt und ungemütlich kühl ist. So haben wir schon wieder die Aussicht auf einen neuen Ausflug !

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